Die besseren Herrschaften der Renaissance sind gut dokumentiert, ess gibt kaum eine Situation in der Geschichte, die mit ähnlichen Interesse immer wieder untersucht wird. Aus diesem Grund kann man sich an die Einzelfiguren peu a peu herantasten. Das Interesse ist nicht verwunderlich, denn es ist der Übergang von wenig Buchkultur zu viel mehr Buchkultur. Einen ähnlichen dramatischen Umschwung hat es nur selten gegeben.
Ein arabischer Ursprung des Wortes würde die Forschung nicht viel weiterbringen. Ein Araber, der in der Nähe von Tarot-Produzenten auftaucht schon. Ein Araber als Kartenproduzent in der Nähe von europäischen Kartenproduzenten wäre besser.Aber dieser oder der vorhergehende Casus liegt nicht vor. Stattdessen hat man die Möglichkeit, die Leute, die durch Dokumente tatsächlich sichtbar in einem Tarotzusammenhang aufgetaucht sind, zu untersuchen und deren Laufbahnen miteinander zu vergleichen. Dabei haben wir festgestellt, dass es ... abgesehen von Ausnahmen .. eigentlich eine begrenzte Szene ist, deren teilnehmende Personen sich oft untereinander kennen. Ntürlich muss man dann auch die allgemeinen Handlungsabläufe der Zeit verstehen, Kriege, Geschäfte, Heiraten, wichtige Neuerungen etc. ... und dies den dokumentarisch bedingten Tarot-Erscheinungen gegenübersetzen.
Kurz: Man startet im Bekannten und Erkennbaren und nicht im Unerkannten ... Araber sind fürchterlich weit weg.
Nicht weit weg war z.B. ein jüdischer Gesandter des persischen Königs, der in den Jahren 1471-74 über eine eine gemeinsame Kriegsführung gegen die Osmanen verhandelte, die dann tatsächliche, auch wenn nicht ausreichende Ergebnisse brachte. Er war kein Araber, er kam aus Spanien.
Und der ist interessant, weil etwa zu gleicher Zeit in Spanien die europäische Spielweise des Schach mit "schneller Dame" entwickelt wurde. Nun waren die persischen Könige zu dieser Zeit noch mindestens "Teil-Mongole" und in einer mongolischen Schach-Spielweise, von der man bedauerlicherweise nicht genau sagen kann, wann sie entstand, aber die Rede geht, sie sei mindestens 500 Jahre alt, wird tatsächlich eine "schnelle Dame benutzt (die dann dort aber einen anderen Namen führt, denn die Dame im Schach ist ausgesprochen europäisch).
Dieser Mann ist dann keine Fiktion, sondern man hat ihn sogar gemalt ...

... im Zusammenhang mit Montefeltro den er besucht hat.
Montefeltro 1475/76 zeigte dann nach dem Besuch ein nachweisbares Interesse an der Zahl 28, z.B. die 28 berühmten Männer in seinem Studiolo ...

.. die um diese Zei entstanden, die nach der Analyse vermutlich damit zusammenhängen, dass es in asiatischen Mondkalendern, Alphabeten etc. ein Interesse an der 28 gab, u.a. auch ein weiteres halb-mongolisches Schachspiel (nicht das mit der schnellen Dame).
Juden sind ja sehr oft gute Schachspieler. In diesem Zusammenhang scheint es so gewesen zu sein, dass die beiden sich auch über Schach unterhielten, in Montefeltro's Sammelsurium im Studiolo taucht dann dieses merkwürdige Schach-Symbol auf.

Die Sache mit der persisch-venezianischen Allianz lief über eine längere Periode, von ca. 1455 - 1478, bis Uzun Hassan stirbt. Im Jahre 1479, folgerichtig, schliesst Venedig Frieden mit dem Osmanischen Reich, nach einem ca. 16-jährigen Krieg. Die Osmanen überfallen daraufhin Otranto (sehr weit südlich in Italien 1481) und bringen den Papst zum Zittern. Aber der Osmanische Sultan stirbt darüber, ...
... und der Nachfolger beginnt zunächst mit Frankreich und dann mit dem Papst eine Beziehung, in der diese einen Thron-Konkurrenten unter Verschluss halten und dafür horrende Summen erhalten. Prinz Dschem oder Cem ...

... wird eine Wonne der Päpste, die für ihn riesige Summen erhalten.
http://de.wikipedia.org/wiki/Cem_SultanEs geht soweit, dass im Borgia Appartement ...

... Prinz Dschem direkt neben Lucrezia Borgia (als "Heilige Alexandria") erscheint, wobei man man sich nur nicht einig ist, welcher von 2 Kandidaten es sein soll.
2 Möglichkeiten: Hier mit der Maus über das Bild fahren:
http://commons.wikimedia.org/wiki/File: ... t_002.jpegPrinz Dschem fiel während des französischen Einfalls (1494) wieder in Hände der Franzosen und wurde mit Cesare Borgia als Geisel mit nach Neapel genommen. Cesare verschwand und der Sultan war tot (1495). Ob dies nun Cesare Borgie oder "Zitat aus Anonymus Hanivaldanus: Um sich [...] seines Bruders zu entledigen, sandte er [= Osmanischer Sultan Sultan Bayezit] nach Italien den Kapıcıbaşı (dt. “der Oberste der Türhüter”) Mustafa Beğ, damit er unter dem Vorwand, die von Bayezid für Cem Sultan zugesagten Jahresgelder zu überbringen, diesen durch Gift beseitige, und dank dem Geschick Mustafas ging also dieser Anschlag dem Bayezid glücklich vonstatten" die richtige Variante der Geschichte ist, wird sich nicht aufklären lassen.
Jedenfalls haben wir 1495, d.h. im Jahr der Taro-Schlacht, das Ende einer wunderbaren pekuniären Beziehung und der aktiven Möglichkeit, ein arabisches Wort in westlichen Sprach-Umgang zu plazieren.
Für den Fortschritt der Tarot-Untersuchung ist es völlig egal, ob nun die Fluss-Taro-Variante oder die arabisches-Wort-Variante richtig ist. Es war kein weit verbreitetes Wort in 1495. Es war auch noch kein weit verbreitetes Wort in 1505-1516, als es in Ferrara benutzt wird. Aber der Ferraresische Umkreis des Hofes hatte früher schon das Potential, die Trionfi-Karten zu verbreiten und als Spiel zu etablieren, also ist ihm auch zuzutrauen, dass er es auch ca. 1520 konnte, als das Wort allmählich Fuss fasst.
Und wer ist 1505 am Hofe von Ferrara (Ersterscheinung von Taroch als Spielkartenwort)? Alfonso als Mann und Lucrezia Borgia als Frau. Alfonso war am Fluss Taro und Lucrezia Bogia kannte Prinz Dschem. So, alles da, beide Fährten führen zum gleichen Personenkreis.
Im Jahre 1559 verkauft ein Kartenmacher in Rom sein Inventar an einen Nachfolger (in einem Daulis-Artikel):
http://www.tarot-as-tarocchi.com/carte_ ... v_sec.htmlA di 3 di maggio 1559. Richeza (?) Per conto di m.ro Domenico Cartaro al detto
* Prima Quattro riversi et dui Scacchi, scudi 1.20
* Una stampa di Tarocchi picculi formata, scudi 1,50
* Una stampa di Tarocchi grandi formata, 2 scudi
* Tre para di Stampe di carte formate, scudi 4,50
* Una stampa di Tarocchi Todini, scudi 0,50
* Tarocchi ligati a Mazzi para 120, 12 scudi
* Tarocchi ligati in carta bianca para 35, scudi 3,85
* Tarocchi Todini forniti para 17, scudi 2.20
* Carte ligate a Mazzi para 88, scudi 4,40
* Carte ligate in carta bianca romanesche para 200, scudi 10
* Carte romanesche ligate in carta bianca para 30, scudi 1,65
* Tarocchi Romaneschi ligati in carta bianca para 7, scudi 0,75
* Tarocchi senza carta tagliati para 20, scudi 0,70
* Carte dipinte para 30, scudi 0,90
* Carte bianche in cartone para 175, scudi 1,40
* Tarocchi Bianchi senza carte para 150, scudi 0,90[/color]
* Tarocchi ferraresi legati in carta bianca forniti para 93, scudi 13
* Tarocchi ferraresi legati in carta bianca forniti para 14, scudi 12
* Tarocchi ferraresi cum li dieci De Marco Antonio de Janui dozine 24, scudi 19
* Carte romane fatte a Lion di Francia marcho di Moret dozine 36, scudi 1,80
* Carte romanesche larghe fatte Lion fenite e ligate in carta bianca dozine cinque, scudi 2,50
Hier über den Wert eines Scudi ungefähr um die gleiche Zeit. Die Preise sind natürlich keine Endbenutzer-Preise !!!!
http://books.google.com/books?id=pwAggV ... at&f=false
Man sieht, Ferrara macht immer noch einen grossen Teil des Geschäfts. Etwa um 1540 (vielleicht auch später) macht ein paduanischer Dichter die Beobachtung, dass die ferraresischen Karten deutlich schöner sind als die heimischen Varianten (immer noch).
Hm, hm, hm ... ich habe dir zu danken für die Fragestellung. Angesichts der Liste von 1559, die ich dieser Tage zum ersten mal gesehen habe, scheint die Entwicklung, wie dieser Schritt, dass das Wort "Tarot" das andere Wort "Trionfi" überlagerte, völlig klar zu sein. Es gibt keine Verbreitung des Wortes Taroch außer in Ferrara (abgesehen von Avignon, aber das ist ein Sonderfall), bis zu dem entscheidenden Moment in 1515, als eine relative Hektik in der Spielkarten-Produktion am Ferraresischen Hof losgeht. Ferrara ist, wie man aus der Liste 1559 ersehen kann (eine römische Liste) immer noch der erfolgreichste Tarotkarten-Hersteller, was vermutlich schlicht damit zu tun hat, dass Ferrara einfach der Ort und Start der Massenproduktion war, ca. 1520 ... oder wenn sie später als andere kamen, einfach das Wort Tarot auf den Umschlag druckten und sich individualisierten.
Das Wort "Trionfi" bekam Inflation, man begann andere Spiele zu spielen, die AUCH Trionfi genannt wurden, ganz ohne besondere Spielkarten. Dies würde einen Spielkartenhersteller heute auch ärgern, wenn sein Produktname verwildert wird. Wann diese Entwicklung einsetzte, weiss ich - oder man - nicht genau, Rabelais in 1534 jedenfalls weiss ganz genau, dass Taraux und Trionfi zwei verschiedene Dinge sind. Ein spanisches Spiel um 1540 nennt sich spanisches Trionfi, kennt aber keine Sonderkarten.
... .-) .. schön, ein kreativer Moment des Tages, aber bedarf weiterer Untersuchung.
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Nein, es gibt im Moment noch kein Buch auf Deutsch. Im Hajo-Banzhaf-Forum (dem alten, das jetzt ein Archiv ist) habe ich einiges geschrieben ("Huck" suchen), auf
http://koeln-tarot/trionfi.com/ gibt's einige Sachen zu Kölner Spielkarten.